Arzneimittelentwicklung

Arzneimittelentwicklung
Arzneimittelentwicklung,
 
Untersuchungen mit dem Ziel, wirksamere, d. h. effektivere und besser verträgliche Arzneimittel zu finden. Die Basis bildet die Synthese oder Isolierung potenzieller Arzneistoffe, die nach chemischer Charakterisierung einer Vielzahl von Prüfungen unterworfen werden. Auf jeder Stufe muss die Entwicklung eines Teils der Substanzen wegen unzureichender Wirkung, eines ungünstigen Wirkprofils oder toxischer Effekte abgebrochen werden, sodass letztendlich von 8 000-10 000 Verbindungen nur eine in die Therapie eingeführt werden kann.
 
Da der Erstanwendung am Menschen zwingend eine eingehende Charakterisierung an einzelnen Zellen, an isolierten tierischen Geweben sowie bei verschiedenen Tierarten vorauszugehen hat, unterscheidet man zwischen einer präklinischen und klinischen Prüfung. Der gesetzliche Rahmen hierfür ist im Arzneimittelgesetz vom 24. 8. 1976 in der Fassung vom 11. 12. 1998 festgelegt. Darüber hinaus sind die Richtlinien der europäischen Gesundheitsbehörden sowie die Empfehlungen von internationalen Fachgesellschaften zu beachten.
 
Bei der präklinischen Prüfung werden zunächst die Prüfsubstanzen einem ersten pharmakologischen Screening unterworfen. Dabei bedient man sich vermehrt der automatisierten Wirkstoffherstellung (kombinatorische Chemie) sowie leistungsfähiger Testverfahren (Hochdurchsatz-Screening). Die Wirkstoffoptimierung wird durch computergestützte Wirkstoffforschung (Computer Aided Drug Design, Molecular Modeling) erleichtert. Ergebnisse der Genomforschung ermöglichen das Auffinden neuer Zielstrukturen (Targets). Diejenigen Verbindungen, die bei der Screening-Untersuchung erfolgversprechend waren und bei denen auch die Prüfung auf akute Toxizität zufriedenstellend verlief, werden dann einer vertieften pharmakologischen und toxikologischen Untersuchung unterzogen. Nur wenn alle präklinischen Versuche das Ergebnis erbrachten, dass die Testsubstanz mit hoher Wahrscheinlichkeit zur therapeutischen oder diagnostischen Anwendung am Menschen geeignet ist, darf eine klinische Prüfung in Angriff genommen werden.
 
Die klinische Prüfung wird üblicherweise in mehrere Phasen unterteilt. Bei der Phase I, die in der Regel an jungen gesunden Erwachsenen (freiwillige Probanden) erfolgt, wird vor allem auf Verträglichkeit geprüft. Außerdem werden erste pharmakokinetische Untersuchugen durchgeführt und Dosierungsvorschläge für die weitere klinische Prüfung erstellt. In der Phase II folgen Testungen zur Wirksamkeit und relativen Unbedenklichkeit an etwa 100-500 stationären Patienten. Die dabei gewonnenen Daten stellen die Grundlage für die Planung der Studien der Phase III dar, bei denen an verschiedenen Stellen (multizentrisch) mit in der Regel mehr als 1 000 Patienten der Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geführt werden muss. Insgesamt dauert es von den ersten synthetischen undpräklinischen Arbeiten bis zur Zulassung eines neuen Arzneimittels je nach Anwendungsgebiet zwischen 6 bis 12 Jahren.
 
Nach Fertigstellung der Phase-III-Studien werden die Ergebnisse der präklinischen und klinischen Untersuchungen den Gesundheitsbehörden vorgelegt, die nach eingehender Überprüfung die Zulassung, d.h. die Befugnis, das neue Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, erteilen oder versagen. Auch nach erfolgter Zulassung ist vom Hersteller regelmäßig über neue Erkenntnisse zu informieren. Ergibt sich ein begründeter Verdacht auf bedenkliche Risiken, wird die Zulassung widerrufen.

Universal-Lexikon. 2012.

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